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Schiffsmodell.net

Schwerpunkt und Laufeigenschaften der Originale


Guest Jo_S

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Das Thema "wo sollte der Schwerpunkt der Modelle liegen" wurde bereits an verschiedenen Stellen kontrovers diskutiert. Die einen vertraten die Ansicht, dass der Schwerpunkt wie bei den Originalen sehr weit hinten liegen sollte, die anderen waren der Meinung, dass ein Modell mit weit hinten liegenden Schwerpunkt nicht vernünftig laufen kann und die Entwicklung damals noch nicht so weit war, um stabil laufende Boote zu entwerfen.

 

Am Wochenende habe ich dazu ein superspannendes Booklet von 1951 gelesen: "The outboard racer's manual" von W.R. Carpenter. Neben jeder Menge Motortuning auch ein Extra-Kapitel zu der oben genannten Schwerpunkt- und Stabilitätsfrage. Die Antwort ist aufschlussreich - zusammengefasst schreibt Carpenter: "Wir wissen es nicht - es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu!"

 

Und weiter: man ging (richtigerweise) davon aus, dass ein Rennboot möglichst wenig benetzte Fläche (wetted surface) haben sollte. Darum wurden die Flatbottoms mit sehr weit hinten liegenden Schwerpunkten gefahren, denn damit liefen sie nur auf den letzten Zentimetern der Lauffläche. Gleichzeitig entstanden dadurch zwei unangenehme Nebeneffekte:

 

1.) das Boot stieg vorne auf und konnte bei Windböen nach hinten überschlagen. Dem versuchte man durch einen möglichst langen, spitzen Bug zu begegnen.

 

2.) das Boot lief unstabil und "hoppelte" übers Wasser. Hier schreibt Carpenter ganz eindeutig: "keine Ahnung, warum das so ist... die einen Boote hoppeln bei Glattwasser, die anderen bei Rauhwasser, wieder andere in jedem Wasser." Und er vermutet, dass ein Schwerpunkt von weniger als 40% ab Heck diese Eigenschaft immer weiter verstärken könnte (Anm.: moderne Monos werden mit ca. 33% gefahren).

 

Weiter vermutet er, dass eine V-Form des Rumpfes die Laufeigenschaften verbessern könnte. Das trifft auch exakt zu, aber die "Deep-Vs" wurden erst gute 10 Jahre später erfunden. Die V-Form lehnte er aber mit einer interessanten Begründung ab: sie erhöht die benetzte Oberfläche.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen: die Jungs haben inden 50ern so extrem (und so einseitig) auf möglichst wenig "wetted surface" fokussiert, dass sie in eine hydrodynamische Sackgasse liefen. Sie mussten halt aus wenig Motorenleistung möglichst viel Geschwindigkeit rausholen. Darum verlagertensie den Schwerpunkt stark nach hinten undglätteten und wachsten die Rumpfböden. Und es gab keinerlei wissenschaftliche Grundlagen zur Hydrodynamik. Darum liefen die Boote so unstabil. Interessanterweise schreibt Carpenter: "die neuen CabOver-Boote (Anm.: bei denen der Fahrer viel weiter vorne sitzt!) scheinen deutlich besser zu laufen." Na klar - da ist der Schwerpunkt günstiger.

 

Für uns lässt das den Rückschluß zu: wir haben genug Leistung in den GTXen und gleichzeitig geht es uns nicht um den letzten erreichbaren Stundenkilometer. Also Schwerpunkt nach vorne verschieben, vorsicht mit (zu großen oder zu weit hinten liegenden) Turnfins und evtl. ein kleines bisschen V-Form in den Rumpfboden. Ob die Schüsseln dann gut laufen, wird sich zeigen. Sie laufen so aber mit Sicherheit unkritischer.

 

Das Manual schreibt auch Hochinteressantes über die ersten Outboard-Hydros (Single Steps und 3-Punkter sowie die seinerzeit damit verbundenen Fragen). Extrem spannend zu lesen, was die Jungs damals gerätselt haben. Ich werde das Manual beizeiten mal aufarbeiten und euch zur Verfügung stellen. Was ich ebenfalls klasse finde: wir rätseln heute, die Jungs damals haben gerätselt, alle treiben Empirik. Das bringt uns und unsere Modelle der damaligen Zeit einiges näher. :mrgreen:

Edited by Jo_S
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Guest VollNormal

Die Hoppelei dürfte neben dem weit hinten befindlichen Schwerpunkt auch daran gelegen haben, dass quasi die gesamte Masse (von Fahrer und Motor, das bisschen Sperrholz und Stoff des Kasko fällt ja buchstäblich kaum ins Gewicht) in unmittelbarer Nähe des Schwerpunktes konzentriert war. Daraus resultiert ein geringes Trägheitsmoment, das bedeutet, das sich die Fuhre sehr leicht in eine Dreh- (oder hier: Wipp-)bewegung versetzen ließ.

 

Wenn also das Modell auch hoppelt, könnte es Versuch wert sein, ein wenig Trimmgewicht ganz nach vorne in die Bugspitze zu packen.

 

Was ich ebenfalls klasse finde: wir rätseln heute, die Jungs damals haben gerätselt, alle treiben Empirik.

 

Gerade das macht u.a. für mich auch den Reiz an den kleinen Schüsseln aus: nämlich eben keine "perfekte Fahrmaschine" zu haben, an der man höchstens noch winzigste Nuancen anpassen kann, sondern ein ehrliches, vom Grundsatz her unausgereiftes Modell, bei dem noch genug Verbesserungspotential und damit Raum für eigene Experimente besteht.

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...könnte es Versuch wert sein, ein wenig Trimmgewicht ganz nach vorne in die Bugspitze zu packen.

Genau das ist der Grund, dass ich prinzipiell die Akkus ganz nach vorne bringe: weit auseinander liegende Trägheitsmomente (AB <-> Akku). Das bringt ja nicht nur den Schwerpunkt weiter nach vorne, sondern erhöht (durch den "langen Hebelarm") zwangsläufig auch die Stabilität um die Querachse.

 

Statt zusätzlichemTrimmgewicht ist meine Vorgehensweise: den richtigen Gesamtschwerpunkt über einen entsprechend schweren Akku zu "justieren". Sprich: Boot komplett aufbauen, inkl. AB, RC, Kabel, Lack und Fahrer, aber ohne Akku. Rumpf bei 33% unterstützen und dann in das ganz vorne liegende "Akkufach" mittig so viele Dummy-Gewichte reinlegen, bis das Boot in Waage ist. Dummy-Gewichte rausnehmen und auswiegen, Akku mit entsprechendem Gewicht (Kapazität) kaufen.

 

...sondern ein ehrliches, vom Grundsatz her unausgereiftes Modell, bei dem noch genug Verbesserungspotential und damit Raum für eigene Experimente besteht.

3 x :that:!

(Bewährtes nachbauen kann ja jeder :mrgreen: )

Edited by Jo_S
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Super! Das belegt auch wieder das oben Gesagte. Wie es schon im Titel dieser Broschüre heisst: "Wie bekommt man das letzte Quäntchen Speed aus seinem Außenbord-Motorboot?" ... die gingen genau anders herum vor: alles Gewicht nach hinten, damit das Boot nur auf der Hinterkante fährt und kaum noch benetzte Fläche hat. Das erklärt auch, warum die Boote vorne so leicht gebaut wurden. Langsam kapiere ich den "historischen Ansatz" und seine resultierende Problematik. Wird spannend, das Ganze! :D

 

EDIT: ich habe eben noch gelesen, dass die Jungs tatsächlich mit 0° Propwinkel gefahren sind (also Propachse parallel zum Rumpfboden). Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass der AB leicht angestellt war, um den Bug des Bootes unten zu halten. Aber die wollten ja offensichtlich mit aller Gewalt erreichen, dass die Dinger fliegende Sprungschanzen werden. Kein Wunder, dass die so abenteuerlich gelaufen sind.

Edited by Jo_S
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habe eben noch gelesen, dass die Jungs tatsächlich mit 0° Propwinkel gefahren sind (also Propachse parallel zum Rumpfboden). Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass der AB leicht angestellt

 

Auf Seite 13 steht aber auch, dass es Anpassungen für die verschiedenen Wasserkonditionen gab.

All das macht mir immer klarer, dass wir eine sehr flexible Motorbefestigung brauchen, um maximal experimentieren zu können. Seit 10min, hängt mein AB erstmals an der Corsair - 12 mm vertikal verschiebar :mrgreen:.

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Das Handbuch von Van Pelt gefällt mir - zu allen möglichen Themen kurz etwas geschrieben. Weiter hinten z.B. auch über Rennmodi, Startsequenz usw. - Sehr interessant.

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Was für eine interessante Diskussion mit extrem guten Originaldokumenten...:that:

 

Das Wichtigste dünkt mich, dass wir uns mit den 152ern voll und ganz in einer experimentellen Bootsklasse befinden und sehr viel mit Gewichtsverlagerung und AB-Justierung «spielen» werden müssen...da trifft Jos Aussage ins Schwarze:

...wir rätseln heute, die Jungs damals haben gerätselt, alle treiben Empirik. Das bringt uns und unsere Modelle der damaligen Zeit einiges näher. :mrgreen:

 

Ich freu mich ungemein auf Weiterbauen...gestern ist das bestellte 3mm-FSH endlich angekommen, so dass ich die Spanten für eine neue Spitfire sägen kann, die dann einen korrekten Flatbottom haben wird...8)

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Das Handbuch von Van Pelt gefällt mir - zu allen möglichen Themen kurz etwas geschrieben. Weiter hinten z.B. auch über Rennmodi, Startsequenz usw. - Sehr interessant.

 

Ja, sehr interessant und authentisch. Ich habe es mir ausgedruckt ...

 

@Jo: Du hast da ein Booklet "The outboard racer's manual" von W.R. Carpenter erwähnt. Gibt es das elektronisch, oder hast Du ein Antiquariat überfallen :mrgreen:

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...da trifft Jos Aussage ins Schwarze:

 

Das war schon ein bisschen pointiert dargestellt. Zumindest, was die Flatbottoms anbelangt, haben wir heute durchaus Erfahrungswerte, die wir recht problemlos übernehmen könnten. Die Crackerboxen haben einen so auffällig ähnlichen Rumpf, dass es bzgl. der Hydrodynamik und den voraussichtlichen Fahreigenschaften kaum Rätsel gibt. Unsere Flatbottoms werden laufen, wenn wir das typische Crackerbox-Setup weitgehend übernehmen (Unterschiede gibt es eigentlich nur bei der Position und dem Anstellwinkel des Props). Da bin ich 100% zuversichtlich. Sie werden damit anders laufen als die Originale (nasser und stabiler), aber das kann uns eigentlich nur recht sein. ;)

 

Kritischer sehe ich die Hydros. Darum werde ich das direkt mal beim nächsten Modell am Beispiel eines schnellen SingleSteps ausprobieren. Zumal ich dafür direkt den getunten GTX-500 verwenden kann... ich glaube, wenn das hochdrehende Teil mit dem SingleStep tatsächlich klappen sollte, geht das MicroKat-GFK-Gelumpe zu Ebay. :mrgreen:

 

Du hast da ein Booklet "The outboard racer's manual" von W.R. Carpenter erwähnt. Gibt es das elektronisch, oder hast Du ein Antiquariat überfallen :mrgreen:

 

Ich überfalle in letzter Zeit sämtliche Buchläden, Antiquariate, Amiforen, Amazons, Abebooks und friedliche Pasanten auf der Straße. Konkret: das "Outboard Racer's Manual" gibt's nicht elektronisch, aber ich arbeite dran. Ich habe einige (großteils richtig spannende) Sachen angesammelt und auch schon die ersten vier zu PDFs verwurstet. Aber mir ist die Copyrightfrage noch nicht so ganz klar, da recherchiere ich gerade wie wild dran rum. Erklärtes Ziel ist es, diese ganzen zeitgenössischen Dokumente nach Möglichkeit für die 152VO-Community zugänglich zu machen.

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Aber mir ist die Copyrightfrage noch nicht so ganz klar

 

... Also Du könntest ja eine private Sicherheitskopie bei mir hinterlegen ... nur für den Fall, dass es bei Dir 'mal brennt - was wir alle nicht hoffen wollen :mrgreen:

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... Also Du könntest ja eine private Sicherheitskopie bei mir hinterlegen

 

Sicherheitskopie gibt es schon im Netz.

"The outboard racer's manual" von W.R. Carpenter findet man hier.

 

Ab Seite 88 geht es um die Bootstypen und ihre Eigenschaften. Wie Jo schon sagte: wenig Wissenschaft, viel Experiment.

Edited by Ulmo
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Das wird ja immer besser. Ulmo du hast ja ne Spürnase für den Kram. :that:

 

Habe ich das übersehen oder gibt es den Van Pelt nicht komplett als PDF? Sonst mache ich bei Bedarf ein komplettes PDF davon - habe vorhin die ersten Seiten in Photoshop ein wenig überarbeitet.

 

Kai

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Sonst mache ich bei Bedarf ein komplettes PDF davon - habe vorhin die ersten Seiten in Photoshop ein wenig überarbeitet.

Genau aus dem Grund habe ich mich ja durch diesen öden Rechtskram gewühlt. Ich finde die Idee ja selber klasse, aber sei supervorsichtig mit den Copyrights! Das Internet ist definitiv kein Selbstbedienungsladen, auch wenn es gerne so verwendet wird. Auch eine Anfrage bei Skip Hagerman hilft da wenig, weil er mit ziemlicher Sicherheit nicht der Rechteinhaber sein wird. Auf der sicheren Seite ist man erst, wenn man eine schriftliche Erlaubnis des heutigen Rechteinhabers bzw. Rechtsnachfolgers für einen ganz konkreten Verwendungszweck hat. Sonst kann so ein PDF schnell mal eine dicke vierstellige Summe kosten (bei geklauten Fotos wird nach meinem derzeitigen Infostand ein Schadensersatz von 150,-€ / Bild / Jahr bis pauschal 6000 Euro[!!!] Streitwert angesetzt).

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  • 1 year later...
Guest tschakaa

Uih-verdammich nochmal. :mat:Irgendwo in den über 10.000 Kommentaren stand schon mal das Originalgewicht der Racer.

 

Was wiegt ein Class-B-Racer (z.B. die Patty, Foo Ling oder Jinx) inkl. AB, Sprit usw. rennfertig?

 

Hintergrund: Nach Umbau hat Patty ein Kampfgewicht von ca. 1.950 Gramm.

 

Das wäre ein Originalgewicht von 274 kg (inkl. Fahrer) - kommt mir heftig viel vor.

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